Die Existenz und das Sterben von Therese

Offenes Schreiben an „Charité“ – ARD – UFAfiction

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Charité – das steht für Barmherzigkeit.

Ich bin unentschieden, ob dieses Motto auf die Existenz von Therese zutrifft. Therese ist eine Schwester des Krankenhaus „Charité“, welche sich in die Hilfswärterin Ida verliebt. Ich bin froh, dass sie heute im Fernsehen existieren kann. Und ich bin froh, dass das Autoren- und Produktionsteam sich entschlossen hat, dass Therese für ihre in der Serie sogenannte „Neigung“ nicht von Ida und der Oberschwester ausgestoßen und angeprangert wird, sondern viel mehr von Ida geliebt und gepflegt wird. „Trotz“ dass sie „anders“ ist als das Weltbild es damals vielleicht vorschrieb. Dafür bin ich dankbar. Für das Ende ihrer Geschichte allerdings nicht. Denn sie stirbt. Und das ist nicht barmherzig für all diejenigen die wie Therese sind. Doch mehr dazu warum später.

Als ich Charité von meiner Tante empfohlen bekam, aufgrund unserer beider beruflichen Orientierung im Gesundheitswesen, erwartete ich eine interessante Serie zu Medizin und Geschichte. Ich schaute mir die Dokumentation und direkt im Anschluss die ersten beiden Folgen an und war überaus positiv überrascht von der Umsetzung, dem Kostüm, dem Set und der Besetzung. Ich wollte direkt mehr und habe der nächsten Folge entgegengefiebert.

Doch dann kam etwas, dass ich nicht erwartet hatte.

In Folge 3 sagt die Oberschwester zu Therese, dass sie längst ihre “unnatürliche Hinwendung zu Wärterin Lenze” bemerkt hätte.

Dieser Satz hat mich völlig unvorbereitet und mit Härte getroffen. Dabei würde man erwarten, dass ich, als langer Serienfan und Teil der LGBT-Gemeinschaft, den Aufbau dieser Beziehung hätte mitkriegen oder vermuten sollen. Dies tat ich aber nicht. Da ich eine solche Geschichte für die ARD und diese Serie nicht erwartet hatte. Ganz ehrlich gesprochen, unbewusst war ich mir zu 100% sicher eine Serie zu schauen bei der ich mich mit diesem Thema nicht auseinandersetzen müsse – was ich als Erleichterung sah.

Doch um dies zu verstehen muss ich an dieser Stelle ausholen.

Was Sie – die Produktionsfirma und die Autorinnen der Serie “Charité” und die ARD – höchstwahrscheinlich nicht mitbekommen haben, ist eine Bewegung die unter dem Namen “Lexa Deserved Better” läuft. Eventuell kennen Sie die Serie “The 100” welche in Deutschland auf ProSieben gesendet wird. In dieser Serie taucht ein Charakter namens “Lexa” auf. Sie ist die Anführerin der “Grounder” – der Menschen, die eine Atomkatastrophe auf der Erde vor circa 100 Jahren überlebt haben. Während Ihrer Zeit als Herrscherin hat sie Frieden über 12 rivalisierende Klans gebracht. Sie ist mutig, stark, klug, ein visionär, pragmatisch, warm und doch kalt, wenn sie es sein muss, und ganz nebenbei mag sie auch noch Frauen. Sie verliebt sich in “Clarke” – die Hauptfigur, und nach einem langem subtilen Aufbau der Beziehung zueinander wird es klar, dass sie sich gegenseitig mögen und Clarke, welche zuvor mit Männern zu sehen war, nach einer heutigen Definition „bisexuell“ ist. Die Serienmacher rühmten sich folgend mit “Clexas” Beziehung (dem sogenannte “Shippername” der beiden) und dem Umgang des Themas der “freien Sexualität/Liebe”, welche von der Show nicht thematisiert bzw. in Frage gestellt wird. Jeder liebt wen er liebt. Fertig. Da gibt es im Jahr 2150 nichts mehr zu diskutieren. Und Lexa wurde schnell zu einem Vorbild und einer Ikone dessen.

Nach Staffel 2 (welche auf einem Höhepunkt mit einem Verrat von Lexa an Clarke endet, in dem Lexa ihre Pflicht gegenüber ihrem Volk über ihre Liebe stellt) war allen Fans klar, dass nach Bekanntgabe von Lexas Rückkehr in Staffel 3, Lexa als Anführerin der Grounder, und der generellen Sterberate der Serie, eine kurze Lebenszeit bevorstehen könnte. Besonders als bekannt wurde, dass “Alycia Debnam-Carey”, die Schauspielerin Lexas, eine andere Rolle zugesagt hatte bevor beschlossen wurde, dass es eine dritte Staffel “The 100” mit ihr geben würde. Im Verlauf der Dreharbeiten und Produktion versicherten die Autoren und Produzenten jedoch immer wieder einen guten Umgang mit Lexa und Clarke. Sie beschwichtigten alle Fans, die den Tod Lexas prophezeiten und versprachen, dass Ihnen diese Geschichte genauso viel bedeutete wie den Fans. Es gab immer noch genug die daran zweifelten, doch die meisten hofften und glaubten, und wollten glauben, dass es stimmt, dass die Person zu der sie aufsahen überleben würde, und die Autoren einen Kniff fänden sie für eine Weile verschwinden zu lassen um sie dann vielleicht in einer vierten Staffel oder später zurück zu bringen, wenn Alycia Debnam-Carey wieder verfügbar wäre.

Doch warum machten Fans diese Prophezeiung? Warum glaubten viele, trotz wiederholter Versicherungen, dass es nicht so wäre, hartnäckig daran, dass Lexa am Ende sterben würde?

Die Antwort ist, für uns war der Tod Lexas nicht nur wahrscheinlich, weil Lexa in einer angreifbaren Position in der Serie war oder weil die Serie nicht davor zurückschreckt Charaktere zu töten, nein sondern besonders auch, weil ihr Charakter eben nicht heterosexuell, sondern lesbisch war. Diese Information mag manchen seltsam vorkommen, die sich noch nicht mit dem Thema beschäftigt haben, aber die Sterberate für LGBT Charaktere in Serien ist sehr hoch (mehr Informationen und Nachweise dazu am Ende unter „1“), so dass bewusst oder unbewusst wir alle schon erwarten, dass die Geschichte der Personen mit denen wir uns identifizieren zu einer hohen Wahrscheinlichkeit nicht mit einem positivem Ende ausgehen wird. Wenn sie nicht sterben, dann ist es trotzdem wahrscheinlich, dass ihre Beziehungen kaputt gehen und sie alleine und hoffnungslos sind, oder sie eben auch gar keine Beziehungen haben – jemals.

Nun im Falle von “The 100” hatten die Fans Recht. Entgegen aller Versprechungen und Zusicherungen der Macher starb Lexa und das auf eine höchst groteske weise. Nicht im Kampf – was sich nur 3 Folgen vor dem tatsächlichem Tod angeboten hätte – nicht mit Ehre, nicht mit Ruhm, nicht als Held. Sie starb einfach nur. Durch eine Kugel, die nicht für sie bestimmt war. Und dass nur Minuten nachdem sie endlich mit Clarke zusammen gekommen war. Das bedeutet sie war glücklich für einen winzigen Moment um dann zu sterben. Ein mehr als tragisches Ende für einen bedeutenden Charatker. Ein Ende welches ein großer Teil der Fans ähnlich schon einmal gesehen hatte mit „Taras“ Tod bei “Buffy” und es nicht weniger, sondern mehr traumatisierend war es genauso noch einmal passieren zu sehen.

Sie möchten nun denken, “Ja und? Es ist nur eine Serie. Nur ein Charakter. Was macht das schon wenn da jemand stirbt? Das ist Fernsehen und nicht Realität.“ Doch als gebildeter Deutscher sollte jeder in seinem Deutschunterricht schon einmal was von “Die Leiden des jungen Werther” gehört haben und dem Effekt den dieses Buch auf die jungen Leute in Goethes Zeit hatte. Werther erstickt an seinem Herzschmerz und tötet sich selbst und als Folge begangen dutzende Menschen in Deutschland Selbstmord, da sie sich in Werther wiederfanden. Dies führte damals so weit, dass Goethe sein Werk überarbeitete um das Suizidmodell seines Protagonisten weniger attraktiv erscheinen zu lassen und zu verhindern, dass noch mehr Leute sich das Leben nehmen würden. Dieses Beispiel verdeutlicht, dass Geschichten Menschen bewegen, da sie sich mit den Figuren identifizieren. Und so kann der Umgang mit einer Geschichte und einer Figur positiv und negativ inspirieren – Hoffnung rauben oder Hoffnung geben.

Der geschmacklose Tod Lexas war im März 2016. Mindestens einen Fall soll es gegeben haben in dem sich jemand das Leben genommen hat aufgrund Lexas Tod und tausende fielen in Depression, so dass die Schauspieler und Schreiber der Serie auf Twitter Suizidhotlines twitterten, gutgemeinte, tröstende Worte verloren und sich zum Teil entschuldigten. Sie brachten nicht nur einen Charakter um, sie brachten die Hoffnung tausender Menschen um – dass diese Geschichte ein anderes Ende haben würde. Dass endlich einmal WIR Teil der Hauptrollen, Teil der anerkannten, guten Beziehung, Teil des ganzen sein durften. Dass wir ein Recht auf Hoffnung haben.

13 weitere Frauen, welche Frauen liebten, starben in den folgenden zwei Monaten nach Lexas Tod in Serien auf den US-amerikanischen Bildschirmen. Eine Tatsache und Nummer welche die Allgemeinheit weiter erschütterte und dazu führte, dass uns klar wurde, dass wir endlich aufstehen und für uns eintreten müssen in dem wir uns Gehör verschaffen über dieses Problem.

Nun möchte ich Sie nicht angreifen aufgrund Ihrer Entscheidung Therese umkommen zu lassen. Bevor “Lexa Deserved Better” habe ich mich nie bewusst mit dem Gedanken beschäftigt, dass in den seltensten Fällen LGBT Charakteren ein Happy End zukommt. Aber seit dem kann ich kaum noch etwas anderes sehen, wenn es zu einer Repräsentation im Bereich LGBT im Fernsehen kommt. Da ich mich mit diesen Charakteren identifiziere, hat es natürlich eine große Bedeutung für mich was ich – und all die anderen, die dies tun – über mich erzählt bekomme. Eben weil Geschichten berühren und prägen. Sie lassen uns glauben und hoffen und inspirieren. Aber was ist inspirierend daran, dass eine Vielzahl von meinen Vorbildern stirbt oder unglücklich bleibt?

Dieses Phänomen hat einen Namen. Im englischen heißt es “Bury Your Gays”. Es ist ein “Trope” – ein Cliché, ein einfacher Ausweg. So wie das Cliché, dass die Blonde in jedem Horrorfilm zuerst stirbt. Oder auch dass Freunde zu Liebhabern werden. Davon gibt es viele – positive und negative. Und alle prägen unser Gehirn und unsere Einstellungen, unsere Erwartungen an uns und andere und den Ausgang von unserem Leben. Ich erinnere mich an Filme und Serien, die mich geprägt haben, als ich noch ganz jung war, wo ich das erste Mal “mich” auf dem Bildschirm gesehen habe, und erst jetzt begreife ich, dass keiner dieser Geschichten ein positives Ende hatte und was es vielleicht mit mir gemacht hätte, wenn es so gewesen wäre. Wäre ich selbstbewusster, positiver, stolzer gewesen?

Stellen Sie sich für einen Moment Ihre Lieblingsfiguren aus der Jugend vor mit denen Sie sich identifiziert haben oder jene mit denen Sie sich heute identifizieren, wenn sie von der Arbeit nach Hause kommen und Ihren Fernseher anschalten um selber einfach nur mal abzuschalten. Und nun stellen Sie sich vor diese – Ihre – Charaktere würden alle sterben. Stellen sie sich vor das Böse siegt. Superman, James Bond und Indiana Jones stürzen vom Himmel, werden erschossen oder von Steinen überrollt. Und sie wachen nicht wieder auf. Aus jeder kleinen grauen Maus würde keine Schönheit werden, sondern sie säße auf den kalten Fliesen des Badezimmers – die Klinge der Schere dringt in ihre Haut und rotes Blut ergießt sich über ihr Kleid. Starke Frauen existieren nicht. Stellen Sie sich vor Sie würden sich dauernd sterben oder unglücklich und verzweifelt repräsentiert sehen. Würde das etwas mit Ihnen machen? Wäre die Sterberate von „kleinen grauen Mäusen“ im realen Leben höher, wenn sie nicht erzählt bekommen würden, dass in ihnen jemand ganz tolles steckt? Würden Leute noch Superhelden sein wollen, wenn sie fortschreitend gezeigt bekämen, dass das Böse sie am Ende eh vom Himmel holt? Hätte das einen Einfluss auf uns alle?

Ja! Und demnach ist es also nicht nur eine Serie, nur ein Charakter. Besonders wenn es von der Sorte schon von Anfang an nicht viele gibt. Und somit besitzt jeder Erzähler auch ein Stück Verantwortung mit den Figuren und der Geschichte, die er oder sie jemand anderen erzählt. Ob man sich darüber bewusst ist oder nicht.

Nun komme ich zurück auf Therese. Aufgrund der Vorgeschichte, dass ich momentan sehr sensibilisiert auf dieses Thema und gute Repräsentation bin, und es als ein wenig wie eine Befreiung sah mich bei “Charité” sicher nicht mit diesem Thema beschäftigen zu müssen, traf mich der Schlag, als die Oberschwester klar machte, dass Therese eventuell lesbisch sein könnte. Denn es war ganz klar was das für sie bedeuten würde: 1888, sie ist höchst religiös, es geht um Krankheiten, die viele in den Tod gerissen haben. Wie groß sind hier wirklich die Chancen, dass diese Figur da mit einem guten Ende rausgehen wird? Besonders, wenn sie Ida – den Hauptcharakter – gut findet, welche bereits von zwei Männern umschwärmt wird. Wie wahrscheinlich ist es, dass die Produzenten und Schreiber sich überlegen, dass es eine gute Idee wäre, dass Therese Ida bekommt und die beiden nach Zürich gehen und glücklich werden? Wie wahrscheinlich?

In Folge 3 wo noch nicht klar war, dass Therese Tuberkulose haben würde, schrieb ich Freunden von Therese und Charité und über die nächsten Folgen spekulierten und warteten wir zusammen darauf wie und wann sie sterben würde. Es war schon fast wie ein makaberes Spiel, welches wir im Kopf trieben. Wir wussten wo diese Geschichte enden würde, und ich konnte „Charité“ nicht mehr so genießen, wie ich es zu Anfang getan habe, denn ich machte mich bereit es wieder passieren zu sehen. Einer „meiner“ Figuren würde sterben. Und so war es.

Wie bereits zuvor gesagt, möchte ich Sie hiermit nun nicht an den Pranger stellen oder Sie zerreißen lassen. Ich mag Charité immer noch sehr gerne. Und ich verstehe sehr gut die Gründe warum Therese starb. Weiterhin möchte ich glauben, dass Sie eine gute Absicht hatten darin Therese überhaupt existieren zu lassen. Und genau deshalbe möchte ich die Gelegenheit nutzen Sie als Produzenten und Autoren aufmerksam zu machen und Ihnen bewusst zu machen was Sie tun, wenn sie LGBT Figuren erschaffen (vielleicht in einem überschwänglichen Wagemut von “die fortschrittliche Serie” sein zu wollen, welche auch diese Gruppe repräsentieren kann und will, selbst oder besonders wenn es in 1888 spielt), und Sie dann diese fortschrittliche Figur, auf die Sie selbst vielleicht auch stolz sind, nehmen und sterben lassen. Weil Sie – wie wir auch – nur diesen Ausgang der Geschichte beigebracht bekommen haben.

Es muss also gesagt werden, dass nichts daran fortschrittlich ist LGBT Charaktere sterben zu lassen. Besonders wenn der Fakt besteht, dass Jugendliche, welche LGBT sind, eine höhere Suizidrate haben und häufiger unter Depressionen leiden, als ihre heterosexuellen Mitstreiter, und wir wissen, dass es den “Werther Effekt” gibt, welcher sagt, dass es einen kausalen Zusammenhang zwischen gesehenen Suiziden und Selbstverletzung im Fernsehen und in der realen Welt gibt.

Ich möchte Sie nicht verurteilen. Viel mehr möchte ich, dass Sie die Leute sein werden, welche in der nächsten Produktion sitzen und Vorschlagen: “Warum machen wir unsere (Haupt-)figur nicht lesbisch, schwul, bi, asexuell, pansexuall, non-binary oder transgender, und geben ihm/ihr eine Geschichte, welche nicht nur die Deutsche LGBT-Gemeinde, sondern die ganze Welt inspirieren wird? Warum geben wir nicht einer Minderheit die Hoffnung und die Bestätigung, die sie verdient? Warum machen wir Ihnen das Leben nicht leichter anstatt schwerer? Warum lassen wir sie nicht Glück spüren?” Ich möchte Ihnen die Augen für andere Möglichkeiten öffnen und Sie bewahren Fehler zu begehen, die viele andere vor Ihnen auch schon begangen haben – nicht aus bösem Willem, sondern aus schierem Unwissen darüber was sie im Kollektiv anrichten.

Ihnen ist es vielleicht nicht bekannt, aber eine Sendung, welche LGBT Charaktere beinhaltet und gut darstellt, wird nie nur in dem Land geschaut, in dem sie produziert wurde. (Beispiele werden am Ende beigefügt unter „2“). Eine solche Sendung wird immer weltweit in der ganzen internationalen LGBT-Gemeinschaft geschaut und gehyped, und diese Leute geben ihr ganzes Herzblut für diese Sendung und diese Figuren her. Es ist an dieser Stelle makaber es so zu schreiben, jedoch ist es wahr: Wir sterben für Filme und Serien, welche uns repräsentieren. Es gibt eine große Anzahl an Menschen in dieser Welt, welche für diese Sendungen dursten, und sie könnten einer der Produzenten, Sender und Autoren werden, welcher diesen Menschen Hoffnung spendet anstatt sie zu rauben. Ihre Arbeit kann für viele Menschen mehr bedeuten als nur “Unterhaltung”. Ihre Arbeit kann für manche Menschen das Leben bedeuten, und ich möchte glauben, dass Sie als Künstler solche bedeutende Arbeit produzieren möchten. Arbeit die inspiriert und Leben rettet. Und dies ist keine Übertreibung es so zu schreiben.

Auf der einen Seite kenne ich es aus der eigenen Erfahrungen und den Erfahrungen von Freunden, dass sie zu sich selbst und zu einem besseren Leben durch Repräsentation im Fernsehen fanden. Auf der anderen Seite habe ich lange Zeit bei jemmainternational.org mitgearbeitet, wo wir Briefe von Menschen aus aller Welt und jedem Alter – so wie auch von jungen deutschen Mädchen – bekamen, die uns Ihre Geschichte erzählten wie „Jemma“ (Jenny und Emma – ein Pärchen aus der deutschen Soap „Hand aufs Herz“ von Sat1) ihr Leben verändert hat. Beziehungsweise wie wir es getan haben, weil wir die deutschen Texte von 234 Folgen eigenhändig alle auf Englisch übersetzten und als Untertitel verfügbar machten um der international vorhandene Nachfrage gerecht zu werden. Damit diese positive Geschichte weltweit verfügbar war – für irgendein Mädchen, eine Frau in Russland, in den USA, in Brasilien, Mexiko, Portugal, der Schweiz. Denken wir heute nur an Tschetschenien und all die Leute, die sich in ihrem Leben und Sein alleine fühlen. Und wir bekamen in Gegenleistung damals erzählt wie sie durch „Jemma“ nun hoffen und glauben, dass eines Tages sie auch jemanden finden könnten für sich, wo sie sich zuvor vielleicht in einer aussichtslosen Situation sahen. Oder sie berichteten wie sie sich selbst das erste Mal erkannten und Mut fassten sich ihren Freunden und Eltern anzuvertrauen. Und das ist bedeutend. Diese Form von Fernsehen hat in meinen Augen Kraft und Bedeutung und ich glaube daran, dass Sie diese Bedeutung auch erkennen und sie leisten wollen. Oder warum sonst hätten Sie Therese erschaffen?

Sie saßen sicher nicht zusammen und haben sich gedacht, „Nun lasst uns doch mal eine Lesbe unglücklich machen in dem sie erkennt, dass sie lesbisch ist, und sie dann umbringen damit ganz Deutschland klar wird, dass ihr Leben aussichtslos und kurz ist. Sie sind die Figuren, welche wegwerfbar, verzichtbar in einer Geschichte sind. Deshalb wählen wir sie für den Tod.“ Das will ich nicht glauben. Ich glaube sie hatten die Absicht etwas positives mit Therese zu bewegen und sie und uns sichtbar zu machen. Genauso wie sie mit der Wahl eine Serie über die Historie der Medizin zu produzieren, aufklären und bewegen wollten. Nur leider wäre der fortschrittliche Schritt für Therese gewesen ihr eine andere Bedeutung in der Serie zuzuschreiben, als der der unerfolgreich mit Tuberkulin behandelten Patientin, welche stirbt. Nur wahrscheinlich waren sie sich dessen einfach nur nicht bewusst, weshalb ich Ihnen nun diesen Beitrag schreibe.

Ich habe Interviews mit Sönke Wortmann gesehen und gelesen, so wie von den Schauspielern und bin überzeugt, dass so wie sie sich in das Thema der Medizin und der Geschichte eingelesen und begeistert haben, würden sie es auch für dieses Thema tun. Genauso wie ich den Autorinnen es zutraue eine bewegende, positive Geschichte darüber zu schreiben, wie sie es in diesem Fall für Ida als „selbst-denkende Frau“ getan haben. Charité ist bereits ein Fortschritt, da trotz dass die Sendung hauptsächlich über die Ärzte handelt, ist doch Ida – eine Frau – die Hauptrolle, und es geht um mehr als nur den Ruhm von z.B. Robert Koch. Es geht um die Gesellschaft und die Zustände der damaligen Zeit. Einen Einblick in die Vergangenheit. Und warum könnte also nicht in Ihrer nächsten Arbeit eine Figur wie Therese existieren, wessen Hauptexistenzgrund in ihrer Geschichte nicht darin liegt für einen Plotpunkt zu sterben. Wessen Denkart es nicht ist, verzweifelt verliebt zu sein und sich selbst zu schämen, zu verletzen und zu hassen aufgrund ihrer Sexualität. Warum könnten Sie nicht die Person sein, welche sich vornimmt dieses Cliché zu durchbrechen und die Gesellschaft damit, heute und für die Zukunft, positiv zu beeinflussen?

Darum ist hier meine Bitte an Sie, machen Sie Ihre nächste Therese doch bitte glücklich und froh. Spenden Sie Mut für ein gutes Ende anstatt in die selbe tiefe Kerbe anderer erneut hineinzuschlagen. Sie können sich sicher sein, dass ich und viele andere es begrüßen, verfolgen und Beifall klatschen werden.

Ich habe die Hoffnung, dass bald wieder eine positive Geschichte mit Happy End für zwei Frauen, die sich lieben, in Deutschland geschrieben und produziert wird. Oder dass eine weitere Geschichte wie bei „Der Lehrer“ in der „Paula“ nicht mehr „Paula“, sondern „Felix“ ist, wer er schon immer war, auftaucht. Denn wir brauchen diese Geschichten und wie im Beispiel von „Hand aufs Herz“ ist es nicht so, als ob es noch nie passiert wäre. Außerdem bin ich mir bewusst, dass UFA „GZSZ“ produziert und somit „Anni+Jasmin“ auch von Ihnen ist. Und ich wäre stolz wenn solch eine Geschichte mit positiver Botschaft von der ARD – den öffentlich rechtlichen, demnächst produziert oder gekauft würde.

Ein letzter Kommentar am Rande. Die Fangemeinschaft um “Lexa Deserved Better” hat sich übrigens durch diesen Vorfall nicht aufgegeben. Stattdessen haben sie über 170.000$ an Spenden für das “Trevor Project” gesammelt. Dies ist eine führende US-amerikanische Organisation im Bereich der Krisen- und Suizid-Telefonseelsorge für LGBT-Jugendliche. Und sie haben eine Messe mit dem Namen “ClexaCon” ins Leben gerufen, welche dieses Jahr am Todestag von Lexa das erste Mal veranstaltet wurde und über 2.000 Besucher hatte, so wie Autoren, Schauspieler und Produzenten anzog, welche sich mit diesem Thema beschäftigen und eine Verbesserung für die LGBT-Repräsentation im Fernsehen anstreben. (U.a. Vertreter von: Person Of Interest, Wynonna Earp, Lost Girl, Bomb Girls, Fringe)

Sie sehen, wir geben die Hoffnung nicht auf, und sie könnten ein Teil dieser werden in dem Sie mehr als nur barmherzig wären, und nicht nur jemanden wie Therese erschaffen, sondern sie das nächste Mal auch leben und lieben lassen.

Mit freundlichen Grüßen,

„Lied“

PS: Danke, dass Sie diesen Beitrag gelesen haben. Ich hoffe, ich konnte Ihnen einen neuen Blickwinkel geben.

PPS: An alle die dies nun gelesen haben, und dem zustimmen. Bitte lasst ARD und UFA doch davon wissen, dass das anhaltende Sterben von LGBT Charakteren ein Problem ist und es schadet. Ihr könnt Ihnen per Twitter @UFA_Gmbh, @UFAfiction, @DasErste, @ARD_Presse, @ARDde schreiben. Ein Satz reicht: „Bitte gehen Sie bewusst mit LGBT Charakteren um.“

Anhang:

0.
Zum Verständnis der Emotionen um Lexa eine Verbildlichung der Gefühle, die an solchen Figuren hängen:

1.
Für mehr Informationen zu dem Thema “Bury your Gays” im Bereich für lesbische und bisexuelle Frauen empfehle ich folgende Artikel und Links:

2.
Liste an Beispielen von nicht-US-amerikanischen Shows, welche international wegen ihrem lesbischem Geschichtsstrang verfolgt werden/wurden:

Deutschland:
– Hand aufs Herz – Jenny+Emma (positives Ende 🙂 ) [Adblock ausschalten für das Video]
– GZSZ – Anni+Jasmin (machen Schluss) / Paula+Franzi (Franzi stirbt)

UK:
– Skins – Naomi+Emily (Naomi stirbt)
– Sugar Rush – Kim+Saint (Gecancelt aber bis dahin Happy End)
– Coronation Street – Sian+Sophie (machen Schluss); Sian+Maddie (Maddie stirbt)

Kanada:
– Rookie Blue – Holly+Gail (machen Schluss)
– Wynonna Earp – Wayhaught (positiv laufend)
– Orphan Black – Cosima+Delphine (positiv laufend) [Delphine „stirbt“. Später stellt sich heraus, dass sie überlebt hat]

Brasilien:
– So Vejo Voce – Clara+Marina (Happy End) [Ein Video mit solch schlechter Qualität bekommt selbst 2015 noch knapp 100.000 clicks, aufgrund der Storyline]

Argentinien:
– Vecinos en Guerra – Augustina+Valeria — [+Subs] (Happy End)

Spanien:
– Los Hombres de Paco – Pepa+Silvia (Silvia stirbt)
– Tierra des Lobos – Isabel+Cristina (Cristina stirbt)

3 Kommentare zu „Die Existenz und das Sterben von Therese“

  1. Bzgl. Kanada hast du DIE Kultserie vergessen. Lost Girl. Sie hatte eine weltweite Fangemeinde. Dort kamen auch vielfältige LGBT Figuren vor. Lost Girl hat seine queeren Fans immer mit Respekt behandelt und Doccubus haben ihr Happy Ending bekommen. Wirklich ein Alleinstellungsmerkmal. In Deutschland gab es noch mehrere Storyplots in Verbote Liebe. Zuletzt Maren und Rebecca. Marbecca hatte auch Fans auf der ganzen Welt. Über sie habe ich z.B. brasilianische Lesben digital kennengelernt. Leider konnten die Drehbuchautor_innen mit Marbecca als Paar nichts mehr anfangen – kommt auch häufiger vor. Dank Lost Girl habe ich bis heute Kontakt zu einigen Amerikanerinnen.

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    1. Hi, ja du hast Recht, dass es noch mehr Beispiele gibt. Ich habe keine Vollständigkeit angestrebt, sondern nur versucht einen Ausschnitt darzustellen. Lost Girl ist ja sozusagen der Vorgänger von Wayhaught 😉 Wobei Lost Girl natürlich eine viel breitere/offenere Darstellung von freier Sexualität hat, welche bemerkenswert ist. Und natürlich kenne ich auch Marbecca. Du hast Recht, dass sie auch eine große internationale Fanbase hatten.

      Es ist wirklich erstaunlich wie diese Geschichten Menschen miteinander verbinden. Ich habe selbst nun Freunde in Amerika, und kenne Geschichten von Paaren die sich gefunden haben und sogar heute verheiratet sind. Das ist super. Es ist schön, dass auch du diese Erfahrung gemacht hast 🙂 Und ich fänds toll wenn noch einmal etwas gutes aus Deutschland auftauchen würde, so dass wir wieder „Gastgeber“ sind. Und am liebsten irgendwas was keine Soap ist, wo es sowieso nur um Drama geht, sondern mal eine originelle Serie 😉 Aber vielleicht ist das ein zu großer Traum.

      Ganz nebenbei für jeden der eine Datenbank für ALLE lesbischen Charaktere sucht – es gibt sie! Schaut euch bitte: lezwatchtv.com an. Umfangreich, originell und humorvoll. Die Kategorien der Tropes sind genial.

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  2. Hi Lied, gab es eigentlich von den Angesprochenen bis dato irgendeine Antwort? Und sei es auch nur ein Standardantwortformular von der Pressestelle oder ähnliches?

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